Wer sich in die Schulakten VI Kappelwindeck vertieft, findet als roten Faden das ständige Klagen der Schulleiter über nicht ausreichenden Schulraum. In den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts waren Klassen im Armenhaus der Gemeinde (sog. "Russischer Hof") ausgelagert, baulicher Zustand und Raumenge wurden nach dem Zweiten Weltkrieg besonders prekär. Im Jahre 1950 forderte das Gesundheitsamt, dass
verschiedene bauliche Mängel zu beheben seien, und im Juli 1951 schrieb
das Kreisschulamt Baden-Baden an das örtliche Schulamt Bühl:
"In Bühl-Kappelwindeck muss der Handarbeitsunterricht für zwei
Klassen im ehemaligen Unterlehrerzimmer, im Dachgeschoss liegend, erteilt
werden. Das Zimmer ist für 20 -25 Kinder viel zu klein. Die Lehrerin
hat keine Möglichkeit, zwischen den eng aufeinanderstehenden Tischen
und Bänken zur Nachschau der Arbeiten zu den einzelnen Kindern kommen
zu können, umgekehrt fehlt auch den Kindern jede Bewegungsmöglichkeit.
Die Kinder müssen zum Teil so nahe auf dem Ofen sitzen, dass dies
leicht zu gesundheitlichen Störungen führen kann. Auch die natürliche
Beleuchtung ist ungenügend..." -Teilweise wurde der Handarbeitsunterricht
in das Souterrain des "Kleinkinderschulgebäudes" ausgelagert. |
In der Kappelwindeckstraße 20, wo heute Gerhard Schemel ein Fachgeschäft für moderne Raumausstattung betreibt, stand bis zum Jahre 1960 ein gemeindeeigenes Haus, das vielfachen Zwecken diente:
Es war Armenhaus, die Feuerwehr hatte hier ihre Spritze deponiert, der Ortsarrest war untergebracht, Musikproben wurden darin abgehalten, und wegen der ständigen Schulraumnot im alten Schulhaus neben der Kirche waren teilweise auch Schulklassen hierher ausgelagert. Im Zweiten Weltkrieg wurden russische und französische Gefangene einquartiert, teilweise auch Frauen aus der Ukraine. In dieser Zeit bekam das immer mehr verfallende Haus in der Bevölkerung den Beinamen "Russischer Hof". |
Im Juni 1952 besichtigte eine Kommission das alte
Schulgebäude neben der Kirche und anschließend Gelände
auf dem "Schänzel",
wo ein Schulhausneubau in Erwägung gezogen wurde. Im Jahre 1957 wurde Oberlehrer Theodor Fleitz zum Schulleiter ernannt. In unzähligen und unermüdlichen Eingaben forderte er in der Folgezeit die Verantwortlichen auf, mit dem Bau eines neuen Schulhauses mit Turnhalle zu beginnen, nachdem zwischenzeitlich die Kappler Schüler den Turnunterricht in der Turnhalle in Bühl besuchen mussten. Ein Gelände beim "Einsiedelhof" wurde in trockenen Sommermonaten für die unteren Klassen als Turngelände benutzt. Je ein kleiner Sportplatz an der Nelken- und Schänzelstraße, auf denen auch Feste stattfanden, waren in schlechtem Zustand und
Ab 1962 musste der Handarbeitsunterricht in der Handelsschule erteilt werden, in der Landwirtschaftsschule wurden an bestimmten Tagen ein, später zwei Schulräume belegt, auch im Rathaus II in der Hauptstraße in Bühl (alte Volksschule) wurde unterrichtet. Die Anmarschwege zu diesen Schulen und die Auslagerungen der Klassen aus dem eigenen Schulhaus brachten viel Unruhe in den Schulbetrieb und erforderten organisatorische Meisterleistungen von seiten der Schulleitung und der Lehrer. Im Jahre 1963 wurde der Bau einer Mehrzweckhalle mit zwei Schulräumen in Erwägung gezogen, nachdem sich Um- und Erweiterungsbauten am alten Schul- und Rathaus nicht als günstig erwiesen und man einen Schulpavillon abgelehnt hatte.
Schulleiter Theodor Fleitz schilderte in einem Schreiben an die Stadtverwaltung Bühl erneut die schwierige Situation in der Schule in Kappelwindeck. "Man beginnt langsam zu verzweifeln", so ist in einem Brief zu lesen, "wenn man immer nach Ablauf eines halben Jahres erneut auf die Suche nach Schulraum für die Schüler aus Kappelwindeck gehen muss. ...Es sind jetzt bald alle Möglichkeiten erschöpft, die Kappler Schüler anständig irgendwo unterzubringen. Diese betrübliche Angelegenheit geht nun schon fast 15 Jahre so fort. Wir waren schon auf dem Speicher des Schulhauses notdürftig untergebracht, bis es das Kreisschulamt grundsätzlich verboten hat; als nächste Station war ein Raum der Kinderschule für uns eingeräumt, bis auch dort ein Verbot der Gesundheitsbehörde erging, und im Kellergeschoss mit Zementboden, ohne Heitzung und mit schlechten Lichtverhältnissen, mussten wir auch schon unterkommen. ...Mancher Kollege wird an vier Nachmittagen Unterricht erteilen müssen, und manche Klasse wird nicht um den Schichtunterricht herumkommen, der dann von mittags 12 Uhr 30 bis abends 17 Uhr 30 dauern wird; im Winter durchaus keine begrüßenswerte Neuerung. Dass wir noch am Samstag mittag Unterricht abhalten sollen, kann uns wirklich niemand zumuten." Ab November 1964 musste Schichtunterricht bis 16.30 Uhr eingeführt werden, manche Kinder kamen erst bei Einbruch der Dunkelheit nach Hause. Einige Klassen hatten vier- bis fünfmal Unterricht am Nachmittag. Eltern wurden nun beim Kreisschulamt vorstellig und forderten, dass die Schüler, besonders wegen der teilweise recht weiten Schulwege (Klotzberg, Rittersbach), nicht mehr als an zwei Nachmittagen Unterricht erteilt bekommen sollten. Es gab Schüler, die einen 3,8 Kilometer langen Schulweg hatten; das ergab bei Vor- und Nachmittagsunterricht eine "Wanderung" von 15,2 Kilometer pro Tag.
Das Lehrerzimmer diente stundenweise dem evangelischen Religionslehrer für seinen Unterricht. Nachdem die Landwirtschaftsschule keinen Schulraum mehr zur Verfügung stellte, gestaltete sich die Unterrichtsplanung äußerst schwierig, so dass ab 1965 das 8. Schuljahr fünf Nachmittage Unterricht hatte, das 7. Schuljahr zwei Nachmittage, das 6. Schuljahr fünf, das 5. Schuljahr drei, das 4. Schuljahr einen Nachmittag und das 3. Schuljahr zwei. Im Februar 1965 beschloss der Gemeinderat von Bühl, im alten Rathaus in Kappelwindeck einen Schulraum für 26 Schüler, einen Werkraum und einen Geräteaufbewahrungsraum zu errichten. Zeitweilig wurde auch die Anmietung des Saales vom Gasthaus "Lamm" und der Wirtschaftsräume erwogen. Am 2. Juni 1965 stimmte der Gemeinderat dem Bau einer neuen Schule auf dem ehemaligen Gelände des Bachschlosses an der Nelkenstraße und am Sportweg zu. Das Architekturbüro Thoss und Keller aus Waldshut, das die im Jahre 1966 fertiggestellte Bachschlosshalle konzipiert hatte, wurde mit der Planung des Schulhausneubaus betraut. Die Bachschlosshalle für den Turn- und Sportunterricht brachte mit ihren Nebenräumen zu weiteren Unterrichtszwecken eine gewisse Entkrampfung der Schulraumnot. Der Baubeginn der Bachschlosshalle
als erster Bauabschnitt des neuen Schulzentrums wurde mit einer öffentlichen
Gemeinderatssitzung auf der Baustelle unter freiem Himmel begangen. Bürgermeister
Erich Burger hob mit einem Spaten dreimal Erde aus - "für die Jugend,
für die Bürger, für den Frieden". Bei diesem Ereignis war
auch der 87jährige Mathias Schillinger anwesend, der schon im Jahre
1913/14 im Kappelwindecker Bürgerausschuss sich für den Bau einer
neuen Volksschule eingesetzt hatte. Zwei Kriege, Inflation und Währungsreform,
schwerste Zeiten für das Volk, machten es erst nach über 50 Jahren
möglich, den langersehnten Wunsch der Kappler und ihrer Lehrer, nicht
mehr mit der Schulraumnot kämpfen zu müssen, zu erfüllen.
Mit einem festlichen Konzert der Badischen Staatskapelle wurde am 22. Juli
1966 die Turn- und Festhalle der Öffentlichkeit übergeben. Es
war ein kulturelles und gesellschaftliches Ereignis, bei dem Bürgermeister
Erich Burger auch den Landtagsabgeordneten Camill Wurz und Landrat Erwin
Trippel begrüßen konnte. Nachden Ansprachen von Bürgermeister Erich Burger, von Architekt Dipl.-lng. Otto Thoss und von Rektor Theodor Fleitz, nach Gedicht- und Liedbeiträgen von Schülern und nach Musikstücken, vorgetragen vom Musikverein Bühl - Kappelwindeck, nahm Stadtpfarrer Wilhelm Gromann die Weihe vor. "Nun danket alle Gott..." war der vom Musikverein intonierte Schlusschoral, dass nach Jahrzehnten des Wartens und Planens nun endgültig ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen war. Die Kappler bekamen nach den Worten von Bürgermeister Burger eine Turnhalle "mit festlichem Charakter". |
Von der Planung der Schule bis zum Einzug Ab Sommer 1965 wurde an die Planung einer Schule
neben der Bachschlosshalle gedacht und daran gearbeitet. Besprechungen
mit den Nachbargemeinden im Hinblick auf den Schulentwicklungsplan fanden
statt.
Bachschloß-Schule Ausdruck. Von der Bausumme von 4,3 Millionen war bis auf eine Million die Finanzierung gesichert. Bei der Aufnahme eines Darlehens in dieser Höhe wäre die Stadt zu sehr belastet worden, so dass nach anderen gangbaren Wegen gesucht werden musste. Am 8. Dezember 1967 erfuhren die Bürger aus der Zeitung, dass die Stadtverwaltung einen wichtigen Schritt zur Realisierung des Bachschloss - Projekts getan habe. In einer nicht-öffentlichen Sitzung des Gemeinderates wurde mitgeteilt, dass die Baueingabepläne dem Landratsamt zur Begutachtung vorgelegt worden seien und dass man mit der Erteilung der Baugenehmigung für das Vorhaben Anfang des Jahres 1968 rechnen könne. Im Frühjahr 1968 gab der Gemeinderat grünes Licht für den Bau, und in seiner Haushaltsrede erläuterte Bürgermeister Burger das zweitgrößte Projekt der Kreisstadt in ihrer bisherigen Geschichte. Die neue Bachschloss-Schule würde drei Baukörper umfassen: die Grund- und Hauptschule sowie das Verwaltungsgebäude. Der umbaute Raum der drei Gebäude würde 22 065 Kubikmeter umfassen, die gesamte Nutzfläche betrüge 4292 Quadratmeter. Im Juli 1968 wurden vom Gemeinderat die Rohbauarbeiten
für die Bachschloss-Schule an die Arbeitsgemeinschaft Bühl, bestehend
aus den Firmen Eisenbiegler, Meister, Eberle und Egner, alle in Bühl
und an Hermann Müller KG in Ottersweier, vergeben. Der Baubeginn wurde
auf den 1. August 1968 festgesetzt. Bei den Ausschachtarbeiten legte man
eine Kelleranlage frei, die in früherer Zeit vermutlich als Eiskeller
gedient hatte oder ein Teil des Bachschen Schlosses gewesen war. Während
des Krieges wurde dieser Keller noch als Luftschutzkeller verwendet, sein
Eingang später zugemauert. |
Am 5.Dezember 1968 ließ
das Stadtbauamt in einer "Gemeindevorlage" mitteilen: "Die Rohbauarbeiten
schreiten zügig voran, so dass bis April 1969 schon die Unternehmer
für den Innenausbau eingesetzt werden können." In vielen weiteren Gemeinderatssitzungen der folgenden Monate, zeitweilig war auch der beauftragte Architekt anwesend, befasste sich das Gremium ausführlich und intensiv mit dem Fortgang der Baumaßnahmen, mit weiteren Ausschreibungen und mit dem Innenausbau. Alles nahm einen geordneten Verlauf, so daß Bürgermeister Burger anläßlich der Rohbaufertigstellung auf den 30. Mai 1969 zum Richtfest am Neubau und zu einem anschließenden Richtschmaus in die Bachschloßhalle einladen konnte. Im Juli 1969 musste in einer Gemeinderatssitzung festgestellt werden, dass die geplanten 4,3 Millionen Mark für den Neubau nicht ausreichen würden, man müsse mit einer Gesamtsumme von 4,5 Millionen Mark rechnen. Das Stadtbauamt hatte nun alle Hände voll zu tun, um die vielen Ausschreibungen für den Innenausbau voranzutreiben, und fast in jeder Gemeinderatssitzung war ein Tagesordnungspunkt "Neubau Bachschloss-Schule" zu finden. Auch sollten die Außenanlagen in dem weitläufigen Gelände bis zum Einzug der Schüler fertig- gesteilt sein. Die letzter Tage vor dem Einzug der Schüler waren geprägt von einem Heer von Handwerkern, die alle noch bemüht waren, der Schule den letzten Schliff zu geben. Für Bürgermeisterstellvertreter Dr. Strub war es eine große Freude, Bevölkerung und Ehrengäste auf Sonntag, den 6. September 1970, zu einem Tag der offenen Tür einzuladen, an dem die neue Schule besichtigt werden konnte. Insbesondere waren die Eltern eingeladen aus Kappelwindeck, Eisental und Neusatz, deren Kinder in Zukunft die Bachschloss-Schule besuchen sollten. Am Mittwoch, dem 9. September 1970, nahmen die
Schüler von ihrer neuen Schule Besitz. Damit hatte die Schulraumnot,
die über 50 Jahre die Betroffenen beschäftigt hatte, endgültig
ein Ende. Mit Dank und Stolz konnten die Verantwortlichen auf das gelungene Werk blicken. Mit großen Schlagzeilen wie "Bühler Bachschloss-Schule bietet Platz für über 1000 Kinder" und "4,5-Millionen-Projekt in zwei Jahren fertiggestellt" machten die Tageszeitungen auf dieses Ereignis aufmerksam. Der Erfolg, dass die umfangreichen Baumaßnahmen rechtzeitig zum Beginn des Schuljahres 1970/71 abgeschlossen werden konnten, war nicht zuletzt der umsichtigen Bauleitung von Stadtbaumeister Grabenstein und seinem Stellvertreter Max Friedmann zu verdanken. Die offizielle Einweihung der Schule erfolgte am Dezember 1970 in einem Festakt um 10.30 Uhr in der Bachschlosshalle unter Mitwirkung von Schülern der neuen Schule. Dank, Anerkennung und Hochachtung für die Errichtung dieser modernen Schule wurde den Verantwortlichen von vielen Seiten ausgesprochen.
Karl Heinz Jutz
Konrektor i.R. |
Das Lichtrelief Klaus Jürgen Prohl neu angebracht am Gebäude der Werkrealschule 26.07.2011 |
|